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«Julie, you are an Ironman»

SPORT 3,68 Kilometer im Wasser, 180,2 Kilometer auf dem Fahrrad und 42,195 Kilometer in den Laufschuhen – der Ironman ist der längste Langstrecken-Triathlon der Welt. «Wer auch immer zuerst ins Ziel kommt, wir werden ihn Ironman (Eisenmann) nennen», soll Commander John Collins, einer der Gründer des Ironman-Wettkampfs, vor der allerersten Durchführung gesagt haben. Die 20-jährige Julie von Grünigen ist also ein Ironman beziehungsweise eine Ironwoman – als Erste der Kategorie 18- bis 24-jährige Frauen lief sie am 2. August ins Ziel ein.

PATRIZIA MESSMER

Viel Ironman-Erfahrung hat die Gstaaderin noch nicht. Im Mai lief sie einen Halbdistanz-Ironman in Südfrankreich und absolvierte im August ihren ersten Ironman in Maastricht. Nach 11 Stunden, 51 Minuten und 28 Sekunden war sie im Ziel und qualifizierte sich sogleich für die Weltmeisterschaften der Ironman- Läufer diesen Oktober in Hawaii.

Erzählen Sie uns von Ihrer Ironman-Erfahrung in Maastricht.

Es war eine tolle Erfahrung, der schönste Tag meines Leben. Natürlich war ich ein bisschen nervös vor dem Start, weil ich nicht wusste, was auf mich zukommen würde: Hatte ich genug trainiert? Wie ist meine Tagesform? Werde ich es überhaupt ins Ziel schaffen? Aber alles lief perfekt, ich konnte das Rennen genau nach meiner Strategie durchziehen und es ging besser als je erwartet. Ich hatte mega viel Spass dabei. Die Stimmung war einfach super und die vielen Zuschauer haben mich richtig motiviert. Anscheinend sei ich die ganze Zeit am Strahlen gewesen, hat meine Familie gesagt. Der grösste Moment war aber dann, als ich ins Ziel eingelaufen bin. Es war unglaublich emotional für mich, denn ein Traum war in Erfüllung gegangen. Dies mit all meinen Liebsten, die mich immer unterstützt haben, zu erleben, war sehr schön. Es flossen auch ein paar Tränchen.

Wie sind Sie den Wettkampf angegangen?

Beim Schwimmen war meine Taktik, mit möglichst wenig Beinschlag zu schwimmen, um die Beine fürs Velo und für den Marathon zu schonen. Danach kam das Radfahren, meine Lieblingsdisziplin. Ich wusste von mir selber, dass es mir schwerfallen würde, nicht Vollgas zu fahren und in ein zu starkes Rennfieber zu geraten. Deswegen hatte ich mir vorgenommen, alle Hügel und Berge sehr langsam zu fahren, um keine unnötige Energie zu verschwenden. Es war für mein Ego nicht ganz einfach, als mich die anderen da immer überholten, aber im Marathon hat es sich ausgezahlt. Als ich vom Velo stieg, fühlte es sich – im Gegensatz zum Training – gar nicht nach 180 Kilometern an und ich war noch recht frisch für den Marathon. Vor dem hatte ich am meisten Angst gehabt. Den Marathon habe ich nur dank der guten Stimmung der Zuschauer, meiner guten Laune und der Freude am Triathlon so gut überstanden. Meine Strategie war, es einfach zu geniessen und zu lachen. Meine Beine liefen fast schon von selbst und ich konnte die ganze Stimmung in mich aufnehmen und es tatsächlich geniessen.

Was reizt Sie am Ironman? Was macht ihn so speziell?

Für mich ist der Ironman nicht nur dieses Rennen aus 3,8km Schwimmen, 180km Radfahren und 42km Laufen. Es fast schon ein Lifestyle. Es ist nicht nur der Wettkampftag, sondern eine ganze Reise mit Hochs und Tiefs, die es braucht, bis man am Start steht. Es ist für viele Leute der Beweis, dass alles möglich ist, wenn man es wirklich will. Es zeigt einem, zu was man eigentlich im Stande ist. Beim Ironman geht es nicht nur um die drei Sportdisziplinen, sondern auch um mentale Stärke und um den Willen, weiterzukämpfen, auch wenn der Körper nicht mehr will. Es ist momentan ein ziemlicher Hype, recht viele kennen den Ironman und wissen, wie schwierig es ist. Die Stimmung unter den Athleten ist ganz anders als bei anderen Rennen. Jeder will, dass alle es schaffen. Man ist Teil von etwas und es fühlt sich fast schon wie eine Art «Teamwork» an. Beim Ironman ist nicht nur der Erste, der einläuft, der Gewinner, sondern alle, die es über diese Ziellinie schaffen.

Gab es Momente, in denen Sie Ihren «inneren Schweinehund» kleinreden oder überwinden mussten?

Nein, eigentlich nicht. Der Wettkampf ist mir erstaunlich leicht gefallen. Während dem Laufen bekam ich zwar für einen Moment Magenschmerzen, das hat mich kurz beunruhigt. Doch ich konnte es recht gut ignorieren und mit etwas Cola ging es mir wieder besser. Ich habe eigentlich erwartet, dass irgendwann der Moment kommt und ich keine Lust mehr habe. Aber das ist nie passiert. Sogar als ich nach 180 Kilometern vom Velo stieg, dachte ich, ich könnte jetzt gut noch weiterfahren. Die meisten anderen hätten ihr Velo wohl am liebsten in die Ecke geschmissen, haben mir meine Eltern erzählt.

Wie haben Sie sich auf diesen Wettkampf vorbereitet?

Als ich letzten Oktober in Hawaii dabei sein konnte, als all diese Athleten über die Ziellinie liefen, wusste ich, irgendwann mache ich auch einen Ironman. Ich habe dann begonnen, mich auf einen halben Ironman vorzubereiten und habe mir einen passenden Trainingsplan gesucht. Als ich merkte, dass es mit dem Training so gut lief, sagte ich mir, warum nicht schon dieses Jahr einen ganzen Ironman versuchen? Ich hatte Glück. Im Januar wurde einer in Maastricht, der Heimatstadt meiner Mutter, ausgeschrieben.Von da an habe ich mit einem anderen Plan trainiert und im März nahm ich dann an einem zweiwöchigen Trainingslager auf Fuerteventura teil. Den ganzen April habe ich auf Mallorca trainiert und im Mai konnte ich bei dem Halbdistanz-Ironman 70.3 in Aix-en-Provence wichtige Erfahrungen sammeln. Ich wusste danach, dass ich meine Wettkampfstrategie und meinen Ernährungsplan für den ganzen Ironman noch etwas ändern musste. Ausserdem merkte ich, dass ich beim Marathon, der letzten Disziplin, am meisten Probleme hatte, und wusste nun, woran ich noch arbeiten musste. Ich habe meinen Trainingsplan ein wenig angepasst und intensiv weitertrainiert, bis zwei Wochen vor dem Wettkampf die «Tapering-Phase» kam.

Sie haben sich in Maastricht für die Weltmeisterschaften im Oktober in Hawaii qualifiziert. Was ist das für ein Gefühl?

Es ist ziemlich surreal. Ich wusste zwar, dass die Chancen einer Qualifikation ziemlich hoch waren, da ich in der jüngsten Alterskategorie startete und wir nur zu zweit waren. Doch während dem Wettkampf dachte ich eigentlich nie an Hawaii. Der Moment, als ich im Ziel einlief und der Speaker sagte: «Julie, you are an Ironman», war für mich viel wichtiger als die Qualifikation selbst. Mein eigentlicher Erfolg ist nicht der Sieg, sondern dass ich es bis ins Ziel geschafft habe, denn dafür habe ich so lange gearbeitet. Natürlich konnte ich es an der Rangverkündigung am nächsten Tag, als die Startplätze für Hawaii vergeben wurden, noch nicht richtig fassen. Für viele Triathleten ist es der grösste Traum, einmal in Hawaii, wo alles angefangen hat, zu starten. Doch gerade bei den Männern muss man unglaublich schnell sein, um sich qualifizieren zu können, und die Slots für Hawaii werden nur den Besten vergeben. Dass ich nun an diesem speziellen Ort, wo schon so viele Legenden gestartet sind, auch starten darf, ist für mich eine grosse Ehre. Es spielten aber auch viele Zufälle mit: ich hatte Glück mit meiner Tagesform und dass in meiner Kategorie so wenig Konkurrenz herrscht. Doch es ist ein unbeschreibliches Gefühl und ich bin allen, die mich unterstützt haben und weiterhin so sehr unterstützen, unglaublich dankbar.

Was sind Ihre Erwartungen und Befürchtungen bezüglich Hawaii?

Die Bedingungen werden ganz anders sein: Hitze, Wind und Wellen machen den Ironman in Hawaii um einiges härter als in Maastricht. Die meisten haben an den Weltmeisterschaften langsamere Zeiten, darum habe ich gar keine Ambitionen, mich zu verbessern. Ich werde wohl auch viel nervöser sein, da der Ironman in Hawaii eine ganz andere Bedeutung hat. Hawaii ist auch der Ursprungsort des Triathlons und der Gründungsort des Ironmans. Die Athleten sind richtige Stars, alle, die mitmachen, werden gefeiert. Letztes Jahr war ich Zuschauerin und habe all diese Teilnehmer bewundert und dieses Jahr laufe ich schon selbst mit. Es wird bestimmt eine tolle Erfahrung werden. Ich möchte es einfach ins Ziel schaffen und geniessen können.

Inwiefern werden Sie Ihren Trainingsplan verändern in Hinblick auf Hawaii?

Eigentlich nicht gross. Nach Maastricht habe ich zuerst eine kleine Pause eingelegt und war in den Ferien. Es ist manchmal gut, einen Neustart zu machen und zwischendurch den Kopf freizukriegen. Da ich im September aber mit meinem Studium in Holland beginnen werde, wird es wohl ein bisschen schwieriger werden als jetzt. Ich muss den Trainingsplan mit meinem norma-

Auch nach der Rangverkündigung kann sie immer noch nicht fassen, dass sie wirklich nach Hawaii gehen wird und an den Weltmeisterschaften teilnehmen kann.

FOTO: ZVG

«Ich hätte nach den 180 Kilometern gut noch weiterfahren können.»

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